Ein Kurzabriss der historischen Ereignisse

Die Entstehung einer Legende

Es war einmal ein britischer Schriftsteller namens Ian Fleming. Ihm war wieder einmal todlangweilig. Ihm, dem Frauenheld, der doch eine journalistische Stelle in London hatte und nun in Jamaika in seinem Haus sich mit dem drohenden Eheleben konfrontiert sah. Wehmütig blickte er auf seine Arbeit beim Marinegeheimdienst zurück. Das war noch ein Leben! Er lässt seine Erinnerungen Revue passieren, fügt einige Träume hinzu und beginnt zu schreiben. 1953 erscheint sein erster Roman, CASINO ROYALE, welcher eine Spionagegeschichte um SIS-Agent (Auslandgeheimdienst, besser bekannt als MI6) James Bond erzählt. Den Namen des Hauptprotagonisten entnahm er übrigens einem Vogelkundebuch, dessen Autor so hiess, und war «ohne romantischen Beiklang, flach und leise,» wie es sein Erschaffer selbst sagte. «Exotische Dinge sollten um ihn herum passieren, doch er sollte eine neutrale Person sein – ein anonymes, stumpfes Instrument einer Regierungsbehörde.» Bond war in mancher Hinsicht Fleming selbst, eine Kreation seiner Wünsche und Träume. Er war mit seinen Vorlieben nicht alleine, denn mit seinen Abenteuern traf er die Interessen der Männerwelt. Sogleich interessierte sich die amerikanische TV-Station CBS für den Stoff und produzierte eine 48-minütige live-Fernsehepisode in schwarz-weiss. Diese wurde nur ein Jahr nach Erscheinen des Buches ausgestrahlt. Jimmy Bond wurde von Barry Nelson gespielt (wie der Vorname fiel auch die Herkunft einer Amerikanisierung zum Opfer, arbeitete er da für die CIA), Fortsetzungen blieben aus Desinteresse aus. Nicht jedoch bei den Büchern. Ian Fleming schrieb fleissig weiter und brachte jedes Jahr einen James-Bond-Roman auf den Markt. Der damalige US-Präsident J.F. Kennedy betitelte FROM RUSSIA WITH LOVE sogar als eines seiner 10 Lieblingsbücher. Zudem druckten die englischen Zeitungen Comicstrips der Romane. Schon bald kamen auch Filmproduzenten auf den Geschmack und Fleming traf mit einigen Freunden, u.a. Kevin McClory, die Abmachung, das Drehbuch zu einer Kinoverfilmung zu schreiben. Es wurden weitere Personen involviert, was allerdings zu Differenzen führte, sodass das Projekt THUNDERBALL abgeblasen wurde.

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Ian Fleming, 007s Schöpfer
© Ian Fleming Publications Ltd

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Sean Connery (natürlich mit Ursula Andress)
DR. NO © 1962 Danjaq, LLC and United Artists Corporation.

Also kam Harry Saltzman zum Zug. Der kanadische Filmproduzent kaufte sich die Filmrechte der ganzen 007-Serie (mit Ausnahme von CASINO ROYALE). Zusammen mit Albert R. ‚Cubby’ Broccoli gründete er Danjaq S.A. als Rechteinhaberin (mit Sitz in der Schweiz!) und Eon Productions Ltd. als Produktionsfirma. Ihr erster Film entstand im Jahr 1962, DR. NO, mit dem Schotten Sean Connery als James Bond und der Schweizerin Ursula Andress als Bondgirl Honey Rider. Ian Fleming gefiel dieses Paar so gut, dass er Bonds Eltern im nächsten Roman deren Nationalitäten gab und James Bond somit zum Halbschweizer machte. Mit GOLDFINGER, dem 3. Film in der Serie, erreichten die Bondfilme ihre absoluten Blütejahre und lösten einen unglaublichen Spionenhype aus. Obwohl DR. NO und FROM RUSSIA WITH LOVE auch schon grosse Erfolge waren, kam die Merchandisingwelle erst mit diesem Film ins Rollen. Leider verstarb Ian Fleming noch vor der Weltpremiere aufgrund seines exzessiven Alkohol- und Nikotin-Konsums. Doch durch diese Bond-Manie und dem nächsten geplanten Streifen THUNDERBALL wurde auch Kevin McClory, der an diesem Drehbuch damals mitgearbeitet hatte, hellhörig und erzwang zu Recht, dass er diesen Film mitproduzieren durfte. Er musste lediglich hinnehmen, mit dem Stoff für die nächsten 10 Jahre nichts mehr anstellen zu dürfen. Kein Problem, so dachte man, sollte die Agentenverrücktheit doch nur eine Modeerscheinung und somit sowieso bald unattraktiv sein. Auch THUNDERBALL wurde extrem erfolgreich und jetzt erinnerte sich Produzent Charles K. Feldman, dass er einmal über Umwege die Rechte an CASINO ROYALE erworben hatte und nun ebenso einen Kinofilm plante. Allerdings sah er ein, dass die Bondserie als Dominator der Filmszene nicht zu übertrumpfen war und produzierte stattdessen eine Komödie, eine Parodie auf die Bondfilme. Trotz Staraufgebot (David Niven als James Bond, u.a. mit Ursula Andress, Peter Sellers, Woody Allen und Orson Welles) und etwa 6 Regisseuren wurde CASINO ROYALE zum filmischen Desaster. Gleichzeitig erklärte Sean Connery nach seinem 5. Film den Rückzug von der Rolle. Er hatte keine Lust mehr und wurde auch im Privatleben nur noch mit 007 personifiziert. Der grosse Sturm war also vorbei, doch James Bond noch lange nicht tot.

Ein ständiges Auf und Ab

Nach dem extraterrestrischen Richtungseinschlag wollte man sich wieder näher mit der Romanvorlage befassen. Mit George Lazenby fanden die Produzenten einen hoffnungsvollen jungen Australier, der jedoch über keine grosse Schauspielerfahrung verfügte. Nach Differenzen mit Regisseur und Produzenten und der Beurteilung seines Beraters quittierte er schliesslich seinen Dienst nach nur einem Film, ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE.

John Gavin war der nächste, der den Vertrag unterschrieb, James Bond zu spielen. Er war die Wahl der Produzenten zu einer Amerikanisierung des nächsten Filmes, DIAMONDS ARE FOREVER. Doch unter Druck des Studios konnte Sean Connery noch einmal für die Rolle zurückgeholt werden. Für den nächsten Film konnte endlich Roger Moore (der erste Engländer in der Rolle) als James Bond engagiert werden, nachdem er schon lange in Betracht gezogen wurde.

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George Lazenby
ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE © 1969 Danjaq, LLC and United Artists Corporation.

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Roger Moore
THE MAN WITH THE GOLDEN GUN © 1974 Danjaq, LLC and United Artists Corporation.

Trotz Erfolg wollte Produzent Harry Saltzman mehr als „nur“ die Bondfilme, er wollte ein Imperium. Dabei verschätzte er sich jedoch so sehr, dass er einen privaten Bankrott erlitt, die Partnerschaft auflösen und seine Rechte an das Studio verkaufen musste. Somit war THE SPY WHO LOVED ME (mit dem man sich definitiv von der Romanvorlage abwandte und nur noch Titel und Namen der Personen behielt) auch der erste, den Cubby Broccoli alleine produzierte, und brachte mit einem extravaganten Stil sofort den grossen Erfolg zur 007-Serie zurück. Für FOR YOUR EYES ONLY jedoch entschied man sich, wieder einer ernsteren, realistischeren Linie zu folgen. Doch bereits beim nächsten Film begab man sich schon wieder auf den sicheren, humorvollen Weg, denn nach Ablauf seiner 10-Jahres-Frist trat wiederum Kevin McClory auf die Bühne und kündigte eine eigenständige Bondfilmserie an. Nach vehementem Einspruch von Cubby Broccoli wurde er schliesslich gezwungen, sich nur auf seine Rechte an THUNDERBALL zu beschränken, und brachte schliesslich mit Never Say Never Again einen "inoffiziellen" Bondfilm mit Sean Connery in der Hauptrolle in die Kinos, nahezu zeitgleich mit OCTOPUSSY, dem Vertreter der offiziellen Serie. Doch Roger Moore schien das Publikum schon auf seine Seite gezogen zu haben und gewann den Vergleich an der Kinokasse.

Nach 7 Filmen gab er 57-jährig die Walther PPK an seinen Nachfolger ab: Es war Pierce Brosnan, der als 4. Bonddarsteller offiziell vorgestellt wurde. Der Ire war jedoch noch unter Vertrag für die TV-Serie Remington Steele, welche aber aufgrund fallender Einschaltquoten abgesetzt werden sollte. Die Präsentation von Brosnan als neuen 007 löste nun so grosses Interesse und wiederansteigende Einschaltquoten aus, dass die Serie nochmals um eine Staffel verlängert wurde. Dies allerdings verunmöglichte es Brosnan, den Bondfilm zu drehen, und so wurde der aus Wales stammende Timothy Dalton zum Einsatz aufgeboten. Seine beiden Filme THE LIVING DAYLIGHTS und LICENCE TO KILL (übrigens der erste Nicht-Fleming-Filmtitel der Serie) waren finanziell durchaus erfolgreich, aber keine Top-Shots, wie es noch MOONRAKER vor 10 Jahren war. MGM, seit FOR YOUR EYES ONLY Verleihstudio der Serie, war jedoch so angeschlagen durch anderweitige Misswirtschaft und aufkeimende Rechtsstreite, dass dies einen Produktionsstopp zur Folge hatte. Obschon der 17. Streifen der Serie schon Formen angenommen hatte, musste auf eine Lösung des Konflikts gewartet werden. Dies dauerte jedoch so lange, dass der Film von Grund auf neu geplant werden musste. Man einigte sich mit Dalton, dass dessen Zeit vorbei sei und nun ein Wiedereinstieg mit Pierce Brosnan versucht werde.

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Timothy Dalton
LICENCE TO KILL © 1989 Danjaq, LLC and United Artists Corporation.

Der moderne Action-Held
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Pierce Brosnan
DIE ANOTHER DAY © 2002 Danjaq, LLC and United Artists Corporation.

So erschien GOLDENEYE nach einem 6-Jahres-Unterbruch und konnte sofort wieder an alte Erfolge anknüpfen. Erfolge rufen jedoch auch immer wieder alte Bekannte auf den Plan. Kevin McClory kündigte eine erneute Verfilmung an und verkaufte dazu seine Rechte an das Studio Sony Pictures. Die Produzenten – nach Cubby Broccoli's Tod waren dies Tochter Barbara Broccoli und Stiefsohn Michael G. Wilson – hatten nun aber endgültig genug und sie klagten zusammen mit MGM Sony an. Das Gericht entschied schliesslich, dass McClory's Anteilnahme an einem Skript nicht für die Anteilnahme am Charakter des James Bond reichen würde, womit die Angelegenheit endgültig vom Tisch war. So gelang dann auch mit Brosnan der Einstieg in das neue Jahrtausend, wobei sein 4. Film, DIE ANOTHER DAY, sogleich auch das 40-Jahre- und 20-Filme-Jubiläum feierte. Doch den Produzenten gefiel die übertriebene Richtung nicht, die die Serie nun schon wieder eingeschlagen hat. Also entschied man sich, zurück zu den Wurzeln zu gehen, zurück zu Ian Fleming. Dieser Schritt war der radikalste in der ganzen Serie, waren all die 20 Filme doch in etwa zusammenhängend gedacht, zog man nun wie eine neue Serie auf, also ein Neustart auf der Grundlage der Romane, und zeigte den Werdegang von Bond, wie er zu dem 007 wurde, den wir aus den Filmen kennen. Glücklicherweise konnte 1999 auch die noch letzten ausserfamiliären Filmrechte – jene an CASINO ROYALE – ergattert werden und so plante man dessen Verfilmung. Natürlich musste dabei ein neuer Darsteller James Bond verkörpern, per Telefon wurde dies dem leicht geschockten Pierce Brosnan mitgeteilt.

Nach langem Suchen und Testen entschied man sich für den Engländer Daniel Craig. Sofort begannen enttäuschte Brosnan-Fans eine Anti-Craig-Kampagne, wodurch die Negativnachrichten der englischen Presse nicht zu stoppen schienen. Doch durch einen BAFTA-nominierten Auftritt in CASINO ROYALE verstummten jegliche Kritiker und seine Filme wurden Kassenschlager. Doch wieder einmal kämpfte MGM nach etlichen Umstrukturierungen (so liefen die ersten Filme mit Craig ironischerweise unter Sony's Führung) mit Geldproblemen und konnte mit 3.6 Mia $ Schulden keine Zahlungen mehr tätigen. Schon wieder war ein Bondfilm gestoppt, dessen Drehbuch eigentlich schon geschrieben war. Ende 2010 ging MGM dann endlich Konkurs und kündigte nach ihrer Restrukturierung mit einer neuen Geschäftsführung sogleich das nächste Bond-Abenteuer für die 50-Jahr-007-Feier im Herbst 2012 an. SKYFALL wurde der erfolgreichste Bondfilm aller Zeiten, löste sogar inflationsbereinigt den Überflieger THUNDERBALL ab. Kurz darauf konnten die Produzenten endgültig die Rechte an Ernst Stavro Blofeld und dessen Organisation SPECTRE von den Erben des mittlerweile verstorbenen McClory erwerben, worauf der nächste Film ebenso genannt wurde. Der nächste James-Bond-Film – Daniel Craigs letzter – wird nach etlichen Verschiebungen voraussichtlich 2021 die Kinos erreichen. James Bond will return!

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Daniel Craig
CASINO ROYALE © 2006 Danjaq, LLC, United Artists Corporation and Columbia Industries, Inc.